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Verehrte, liebe Kolleginnen
und Kollegen
Herzlichen Dank für die freundlichen Erinnerungen, besonderer Dank Herrn Seiring, meinem langjährigen
Kollegen im Amt und persönlichen Freund, und Herrn Eisen, der nun auch schon Jahre der Faszination des
neuen Lehr- u. Forschungsbereichs erlegen ist!
Ich beschränke mich auf Anmerkungen zur Wegstrecke in der zweiten
Hälfte des letzten Jahrhunderts, zu einem
Leben mit Schulpädagogik und Bildungspolitik.
Geraubte Jugend in Kriegszeiten, Luftwaffenhelfergeneration - Stunde 0 in Gefangenschaft,
Verlust der halben Familie..... aber mit der Entscheidung zum Lehrberuf
Talent entdeckt - Wissen erworben - Überzeugung gewonnen - Engagement entwickelt....
Die schlimmsten Lebensjahre konnten mit jugendlicher Kraft bestanden werden.
Die Zeit nach dem Kriege wurde als Befreiung erlebt. Zerbrochene Stadt,
erstes pädagogisches Praktizieren in notdürftig benutzbaren Schulräumen selbst, der neuge-
gründeten Hochschule fehlte alles, die Öffentlich-Wissenschaftliche Bibliothek Unter den Linden, das Amerika-House waren geheizt, Wilhelm Blume nannte es Schwimmkurs in der Klasse selbst, erste Belehrungen wurden
unmittelbaren Erfahrungen entnommen -
Tatsächlich fing das Verstehen beim Selbermachen an.
Wilhelm Blumes Ansatz, allen Lehrern handwerkliche Erfahrungen zu vermitteln
und damit Kopf und Hand gleichermaßen zu üben, um den Verbalismus zu vermeiden und das von Pestalozzi
schon angeprangerte MAULBRAUCHEN der Lehrer zu vermindern, konnte er nicht durchsetzen, aber seine
pädagogischen Prinzipien Selbsterfahrung - Projektorientierung - Versachlichung des Lehr- u. Lernverhaltens
sind 70 Jahre danach noch Themen im nicht nur deutschen Schulwesen.
Gelebtes Leben verklärt sich oft in der Rückschau - Eine große Berliner Tageszeitung erinnerte einmal an die Aufbruchstimmung und pädagogische Begeisterung, die in den 60-er und 70-Jahren, bis in die 80-er anhaltend
die bildungspolitische und schulpädagogische Situation im westlichen Berlin wie ein ferner revolutionärer
Schein prägte.
Schule wurde zum
Experiment, verstand sich in der Stadt als Werkstatt für Revisionen, Reformen,
aufgenommen von Parteien, Verbänden, Ausschüssen bedeutender und weniger bedeutender Provenienz.
Das gesamte Arbeits- und Konsumverhalten, das Sozial- uns Kulturverhalten änderte sich, der Berliner
Pädagoge Paul Heimann beschrieb die Lage und gewann viele Follower, wie man heute sagt.
Schulplanungen setzten ein, Neufassungen von Rahmenplänen fiír Unterricht UND Erziehung, lerntheoretische
Begründungen für Exemplarität, Differenzierung, Spezialisierung wurden formuliert. Die zentrale Leitstelle
KUTUSMINISTERKONFERENZ folgte den Empfehlungen des damaligen Deutschen
Ausschusses für das
Erziehungs- und Bildungswesen, löste sich von Traditionen und empfahl Umgangserfahrungen aus
Arbeitsprozessen zu vermitteln, Planung und Bewertung von Berufsarbeit und Haushaltsführung einzuführen,
eine verständigere erste Berufsentscheidung zu ermöglichen, Überfachlichkeit zu benennen, Integration wurde
neues
Schlüsselwort, die etwas vage Bezeichnung ARBEITSLEHRE löste enorme Aktivitäten aus.
Berlin legte schon 1970 einen ersten Rahmenplan für Arbeitslehre vor, und im gleichen Jahr benannte das Land
Berlin die GESAMTSCHULE als neuentworfene reguläre Schulfom neben dem gegliederten Schulwesen.
Eröffnete mit dem Bau von 15 Bildungszentren den neuen Schultyp als Prüffeld für Realisierung, Erfahrung
und Kritik.
Nur wegen der Vollständigkeit: Berlin verankerte das l0.Pflichtschuljahr 1978 per Gesetz (noch heute eine
Minderheit unter den Bundesländern !), viele Kooperationen wurden nun zwingend, die Zusammenarbeit mit
den Hochschulen, der Arbeits- und Berufsberatung...
Schulgeschichte -Daten aus
einem Bundesland; das sich als Werkstatt für bildungspolitische und
schulpädagogische Entwicklungen verstand, auch politisch verstehen musste.
Ich deute damit die Gestimmtheit jener Periode an, deren Teil ich zwischen 1963 und 1990 mitverantwortlich
war. |
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Heute haben wir die dritte Generation, die seit 1964 das Werk ARBEITSLEHRE vertritt, viele Kolleginnen und
Kollegen wären zu nennen, beschränke mich mit Verlaub und aus diesem Anlass auf die Namen Blankertz,
Groth Werner, Schulz, Klaki die Grundlegung boten und die seit 1980 an dieser Universität fortführten
Schneidewind, Hendricks, Steffens, Nitsch, Frau Rughöflz, Frau Torniporth, Günter Reuel besetzte seine
Position und warb durch Fachmannschaft viele Kollegen ein, die selbst die Aufgabe längst schon sich zu
eigen gemacht haben, mit großem Erfolg: Günter Eisen, Detmar Grammel, Renger, Kolleginnen Fiedler,
Jägermeier, die Gesellschaft für Arbeit und Technik im Unterricht /GATWU um die Herren Triebe und Hoge.
Im neuen Haus hier in der Marchstraße tritt Erinnerung nicht an die Stelle der Hoffnung, im Gegenteil,
zeitbezogene Erweiterungen, Korrekturen durch die Strukturprofessoren Ulf Schrader, Liudger Dienel - soeben
berufen Tim Engartner - Frau Simone Knab, Frau Langen
fördern das Anliegen in der Theorie und Praxis des IBBA. Im Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre
wird debattiert, entworfen, ergänzt, eine lebendige Szene, die als
soeben berufene SCHOOL of EDUCATION der Berliner Lehrerbildung ein beachtenswertes Profil mit
zeitgemäßen Entwürfen, begeisternder Lehre und vorzeigbaren Ergebnissen in der Aus- und Weiterbildung
verleihen dürfte.
Diese heute und hier festzustellen, ist mir eine Freude!
Noch lange kein Fazit, aber einige Erkennisse und Ermutigungen lassen sich benennen...
Unterricht und Erziehung müssen nicht nur Rezeption
sondern Aktionen vorhalten, so dass Bildung sich
ereignet und Leidenschaft fördert... kurz, gerade im Pädagogischen dürfen wir nicht auf Praxis verzichten...
Wir sind alle längst Mitspieler (Höhler) geworden, die in kollegialer Solidarität, mit Mut, Fleiß und Zuversicht
agieren müssen, um die Spannungen zwischen Schulpädagogik, Bildungspolitik, Wissenschaftskonkurrenz,
persönlichen Eigenarten bestehen zu können.
Lehrende müssen heute wohl im Konkurrenzfeld der Medien als Person faszinieren.. .auch
im Alltagsuchen wir im Wust der Werbung den zuverlässigen Kenner, den Könner, Motivation zieht an, gerade
im didaktischen Feld.
Wenn Erfolg mit 10 % Inspiration und 90 % Transpiration definiert wird und Arbeit das Talent fördert, dann
sind Ausdauer und Konzentrationkraft für Lehrende und Lernende unabdingbar.
Neugierde auf Ideen und Menschen treiben an, um Geduld muss man sich mühen.
Der Mensch bleibt nicht ungefährlich, er wird erst durch rechtliche Ordnung, transparente Regeln und
demokratisches Bewusstsein sozusagen zivilisiert, Schulpraxis verlangt die leichte Hand, die hält und lässt...
Mehrheit ist nicht immer Wahrheit, Kompromisse bestimmen unser Leben und verhindern Ausbeutung und
Unterwerfung... Ein bedeutender Erfahrungswert für Lernende...
Für Pädagogen und nicht nur für sie bleibt die
Zuwendungsbereitschaft Voraussetzung _ Schüler, Kollegen,
Betroffene... müssen sich angenommen fühlen, Vertrauen bemerken und auch Tröstung
empfinden können.
Mir half oft das Bemühen um die Anwendung des dialogischen Prinzips, wie es von Martin Buber gefasst wurde: Das Ich antwortet dem DU... ohne Zynismus, mit Humor,
Optimismus bleibt Pflicht....
Am Ende des Dienstweges,
den ich selten als Bedrückung erlebte, eine Freude und Bestätigung
auslösende Zeitungsnotiz im TAGESSPIEGEL vom 6. September d.J.
gleichzeitig auch für Sie ein Dank für den oft Maße überschreitenden
Einsatz für die Sache.
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